Neue Domspitze und Domsgickel erfolgreich montiert

Nun ist der Domsgickel wieder da, wo er hingehört. Frisch vergoldet ruht der Wetterhahn auf dem Kreuz der neu gestalteten Domspitze in 82 Metern Höhe über Mainz. Um 12.42 Uhr klatschen am Donnerstag gut 1.500 Menschen auf und um den Mainzer Marktplatz Beifall, als das insgesamt gut vier Tonnen schwere Gesamtpaket nach seinem Hub durch den großen Riga-Kran seinen Platz findet. Drei Stunden zuvor sieht es noch gar nicht so aus, als ob der Domsgickel tatsächlich hinauf schweben könnte.


Aktion durch starken Wind gefährdet

„Bisher waren wir ja vom Wetter verwöhnt“, sagt Domdekan Prälat Heinz Heckwolf kurz vor 10 Uhr. Zwar ist jetzt auch keine Wolke am Himmel über Mainz, aber es weht ein starker Wind. „Zwölf Meter pro Sekunde“, sagt Heckwolf. Das sind drei Meter pro Sekunde zu viel für die geplante Aktion, für den Höhepunkt der Gesamtmaßnahme „Domspitzen-Tausch“. Die Last könnte an den Stahlseilen des Krans unkontrollierbar zu pendeln beginnen.

Um 10.05 Uhr brandet nichtsdestotrotz erster Applaus auf dem Liebfrauenplatz auf. Denn Steinmetz Jörg Walter kommt mit dem für 400 Euro frisch vergoldeten Domsgickel von 1773 auf den Schultern aus der Dom-Schreinerei auf den Platz gelaufen. Ein Mainzer Bürger hechelt hinter Walter her und streichelt dem 40 Kilo schweren Wetterhahn über die Schwanzfedern. Walter übergibt das hauptsächlich kupferne Vieh an den Kollegen Manuel Heininger auf einem Steiger.

Domsgickel in alle Richtungen gedreht

„Umdrehen bitte“, rufen Menschen mit Fotoapparaten in den Händen jenseits des Bauzauns.
Heininger dreht den Domsgickel kurz in alle Richtungen. Die Leute bedienen ihre Auslösertasten. Heininger hat seinen Spaß und sagt: „Das ist auf jeden Fall was Besonderes, so was erlebt man in seiner Steinmetzkarriere wohl nur einmal.“ Zusammen mit Jörg Walter fährt er mit dem Steiger zum Gerüst rauf, das knapp zehn Meter hoch um die neue Domspitze steht.

Um 10.10 Uhr packt Walter den Wetterhahn auf seinen Platz auf dem Kreuz. Eine Frau am Bauzaun sagt: „Ei, wie ich den Gickel vor kurzem das erste Mal im Dommuseum gesehen habe, hatte ich Tränen in den Augen. Das war so ergreifend.“ Und jetzt? „Das erlebt man nur einmal.“ Aber Tränen fließen nicht.

Goldene Blütenblätter aufs Spitzenkreuz

Jetzt kommt Michael Gradinger zum Zug. Der Gonsenheimer Schmied hatte dem Wetterhahn ein neues Kugellager verpasst, damit er sich besser im Wind dreht. Jörg Walter hebt den Domsgickel nochmal kurz an, damit Gradinger die Stange einfetten kann. „Jetzt ist zu 99 Prozent alles fertig“, sagt er. Das restliche Prozent ruht noch in seinem Auto: Auf das Spitzenkreuz kommen goldene Blütenblätter. „Die haben wir aus Angst vor Dieben noch nicht angebracht“, sagt er. Schließlich stand die Spitze samt Kreuz ja die letzte Zeit auf dem Platz. Gradinger bringt die Blüten in den nächsten Tagen in luftiger Höhe an. „Wenn ich in Ruhe arbeiten kann.“ Dann streicht er auch das orangefarbene Bleimennige-Rohr schwarz an, auf dem sich der Hahn dreht. „Dann hält das alles locker weitere 50 Jahre.“

Um 10.40 Uhr fragt Jörg Walter Riga-Projektleiterin Kathrin Marx: „Was macht der Wind?“ Marx: „Windig“. Sie steht mit dem Wetteramt Offenbach in Verbindung. Kurz Zeit später ist sie etwas ausführlicher: „Das Wetteramt sagt, dass der Wind nachlässt, aber wir müssen uns noch etwas gedulden.“

Kurz vor 11.30 Uhr beginnen Arbeiter mit dem Abbau von Stehgittern des Gerüsts um die Domspitze. Der Wind hat nachgelassen. Domdekan Prälat Heinz Heckwolf bittet alle Arbeiter und die Mitglieder des Dombauvereins, der zur Finanzierung der Domspitze beiträgt, ihm Gehör zu schenken. „Ich nutze die Gelegenheit, um allen herzlich zu danken, die an diesem Projekt beteiligt waren und sind“, sagt er. Es sind um die 150 Menschen. Dann wird die Domspitze über starke Seile an den Haken genommen.

„Immer wieder Gänsehaut“

Sabine Flegel guckt und schwärmt. „Herr Heckwolf hat alles präzise geplant. Es gab keine Panne, keinen Unfall“, sagt die Vorsitzende des Dombauvereins. „Und wir waren dabei, wer kann das schon von sich sagen?“, fragt sie. Flegel verweist auf ihren Arm: „Ich kriege immer wieder Gänsehaut, wenn ich daran denke.“

Dann geht es um 12.17 Uhr los: Lift-off. Der Kran hebt die Domspitze aus den verbliebenen Gerüststangen heraus nach oben. 24 Minuten später ist die vier Tonnen schwere Fracht oben angekommen. Sabine Flegel und ihre Mitstreiter laden anschließend auf dem Marktplatz zu Bier und Sekt ein. Der Domdekan bekommt einen Schaps, einen Ziegler. „Damit er zur Ruhe kommt“, so Flegel. Der spektakuläre Teil der seit eineinhalb Wochen laufenden Aktion ist nun vorbei. Ab sofort wird abgebaut.

18.07.2013 – MAINZ
Von Jens Grützner
Quelle: Dombauverein Mainz e.V.